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Herr Prange kann nicht lesen - und zeigt Mut

Von: dpa

Meldung vom 15.10.2018

Ab Klasse 4  

Quiz von Silke Fokken

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Berlin (dpa) - Lesen und Schreiben? Das lernt doch jeder in der Schule. Trotzdem gibt es viele erwachsene Menschen, die das nicht können. Wie kommt das? Und was können die Leute tun?

In der Schule hat Gerhard Prange nie richtig Lesen und Schreiben gelernt. "Ich war mit 40 anderen Kindern in einer Klasse", erzählt er. "Da habe ich in der letzten Reihe gesessen und aus dem Fenster geguckt."

Die Lehrer waren mit den vielen Schülern überfordert. Da wurde Gerhard Prange mit seiner Leseschwäche und Schreibschwäche einfach übersehen. Auch zu Hause habe niemand die Probleme beachtet, erzählt er. Seine Mutter habe mit sieben Kindern viel zu viel zu tun gehabt. Die Sonderschule hat Gerhard Prange dann mit 17 Jahren verlassen. Ohne Abschluss. Danach hat er sich mit verschiedenen Berufen durchgeschlagen. Mal war er in einer Reinigung beschäftigt. Mal in einer Gärtnerei.

"Wenn ich einmal etwas lesen musste, habe ich mich herausgeredet", erzählt er. "Mal sagte ich, ich hätte meine Brille nicht dabei. Mal gab ich mich als ausländischer Tourist aus. Dann bat ich einfach Leute auf der Straße, mir etwas vorzulesen." Heute ist Gerhard Prange 61 Jahre alt.

So wie Gerhard Prange geht es vielen Leuten. "In Deutschland hat etwa jeder siebte Erwachsene große Schwierigkeiten mit dem Lesen und Schreiben", sagt die Expertin Elke Sommerfeld. Fachleute sagen zu der Schwäche auch funktionaler Analphabetismus. Früher kam das noch häufiger vor. Schule war in manchen Familien nicht so wichtig. Die Kinder sollten lieber arbeiten und Geld verdienen. Doch auch heute haben viele Kinder Schwierigkeiten. Vor allem in Familien, in denen sie nicht beachtet und ernst genommen werden. Dort, wo es viel Streit und auch Gewalt gibt.

Doch wer nicht richtig lesen und schreiben kann, hat es schwer. "Bei diesen Leuten stapelt sich oft die Post", sagt Elke Sommerfeld. "Sie können wichtige Briefe und Werbung nicht auseinander halten. Und nicht jeglichen Schreibkram von Freunden erledigen lassen." Viele Analphabeten ziehen sich deshalb zurück. Doch manche trauen sich und stellen sich dem Problem. So mutig ist auch Gerhard Prange.

"Ich wollte meiner Tochter endlich einmal eine Geschichte vorlesen", erzählt der Mann. "Also habe ich mit einem Kurs angefangen." Überall in Deutschland werden Kurse für Erwachsene angeboten. "Es ist toll, wie schnell man Fortschritte macht", erzählt Gerhard Prange. "Mittlerweile kann ich Straßenschilder lesen und beim Einkaufen die Verpackungen studieren." Fehlerfrei lesen könne er aber noch nicht, sagt er. "Deshalb bleibe ich auf jeden Fall dran und übe weiter. Bis es irgendwann mit dem Vorlesen klappt."
Von Philipp Brandstädter, dpa
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